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Warum werden Onlinehändler abgemahnt und wie können sie sich verteidigen?

„EILT! ABMAHNUNG X gegen Y wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens… Sehr geehrter Online-Händler, unter anwaltlicher Versicherung ordnungsgemäßer Bevollmächtigung zeigen wir an, dass uns die Firma X in dieser Angelegenheit mit der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen beauftragt hat…“ – So oder so ähnlich sehen die ersten Zeilen einer Abmahnung aus und lassen nichts gutes verheißen.

Kein Wunder: Post vom Rechtsanwalt zu erhalten, ist selten ein angenehmes Erlebnis. Auch Online-Händlern, die so eine Abmahnung im Briefkasten haben, rutscht zunächst einmal das Herz in die Hosentasche. Nicht zuletzt wegen der unangenehmen Zahl, die sich am Ende des Schreibens befindet. Warum hat sich die Abmahnung zum Alltagsgeschäft im Online-Handel gemausert und wie kann man ihr entgegentreten?

Die Lizenz zum Gelddrucken

Der deutsche Gesetzgeber hat sich in der Vergangenheit dazu entschieden, den Wettbewerb nicht staatlich überwachen zu lassen, sondern dies dem Markt und den beteiligten Akteuren, sprich Konkurrenten, Vereinen und Verbänden zu überlassen. Wer seine Kunden täuscht oder wichtige Pflichtangaben vernachlässigt, bekommt also regelmäßig keinen Bußgeldbescheid von einer staatlichen Aufsichtsbehörde, sondern – wenn überhaupt von Mitbewerbern, Wirtschaftsverbänden oder den Industrie- und Handelskammern beziehungsweise Handwerkskammern.

Traurig aber wahr: Es entwickelte sich besonders mit dem Online-Handel und seinen digitalen Schaufenstern eine wahre Goldgrube für schlecht verdienende Online-Händler und Rechtsanwälte. Die Abmahnindustrie war geboren. Zahlreiche Lobbyisten oder Branchenvertreter versuchten bisher vergebens, die Politik von den missbräuchlichen Abmahnungen und unsinnigen Kosten zu überzeugen.

Vorsicht teuer! Kosten bis zu mehren tausend Euro möglich

Die wenigsten Unternehmer trauen sich zu, selbst eine Abmahnung auszusprechen. Das müssen sie auch gar nicht, denn jeder hat das Recht, sich zur Durchsetzung seiner Ansprüche an einen Rechtsanwalt zu wenden. Stellt ein Online-Händler also bei einem Konkurrenten einen Verstoß fest, dürfen auch die Kosten für die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts, der diesen Verstoß verfolgen soll, zurückverlangt werden. Irrtümlicherweise werden die hohen Kosten meist den Abmahnern zugeschrieben. An den Abmahnungen verdient – zumindest nach außen – nur der Rechtsanwalt.

Doch es geht noch weiter: Dem Abmahnschreiben liegt außerdem eine Unterlassungserklärung bei, die der abgemahnte Online-Händler unterzeichnen soll. Das Prekäre an dieser Unterlassungserklärung ist, dass sich der Online-Händler in ihr zur Zahlung einer horrenden Strafe (die sog. Vertragsstrafe) für den Fall eines erneuten Verstoßes verpflichten muss. Die Kosten hierfür betragen meist mehrere Tausend Euro für jeden einzelnen Verstoß, der in der Zukunft noch begangen wird. Daher ist ein genaues Hinsehen bei jeder Abmahnung unerlässlich.

Angriff ist die beste Verteidigung?!

Hier den Grundpreis vergessen, dort eine falsche Textilkennzeichnung in der Artikelbeschreibung… Wer tagtäglich an seinem Online-Shop arbeitet, wird wissen, wie schnell sich kleine, aber verheerende Fehler einschleichen können. Hat der Konkurrent ein wachsames Auge auf den Shop geworfen, lässt die Abmahnung meist nicht lange auf sich warten. Nicht wenigen Händlern stellt sich die Frage, wie sie sich gegen eine Abmahnung wehren können – gilt hier „Auge um Auge, Zahn um Zahn“? Wer nicht zahlen kann oder will, sollte daher einmal näher hinsehen, welche Verteidigungsmöglichkeiten sich im Abmahnfall bieten.

Möglichkeit 1: Keine Reaktion
Nicht zu reagieren, ist wegen der negativen (und teuren) Gefahr einer einstweiligen Verfügung selten empfehlenswert. Es kann jedoch aus taktischen Gründen Sinn machen, etwa wenn keine Unterlassungserklärung abgegeben werden kann (z.B. Fehler kann vom Abgemahnten nicht behoben werden).

Möglichkeit 2: Abgabe einer Unterlassungserklärung
Die strafbewährte Unterlassungserklärung wird so unterzeichnet, wie sie vorformuliert mit der Abmahnung übersendet wurde oder vom Rechtsanwalt angepasst wurde.

Möglichkeit 3: Abschluss eines Vergleichs
Vergleichsverhandlungen bieten sich beispielsweise dann an, wenn der Verstoß gar nicht vom Händler behoben werden kann, etwa eine unzureichende Darstellung auf einer Plattform. Nicht alle Abmahner sind jedoch zu Vergleichsverhandlungen bereit.

Möglichkeit 4: Negative Feststellungsklage
Ist der Abgemahnte der Meinung, dass die Abmahnung unberechtigt ist, kann es sich anbieten, eine negative Feststellungsklage zu erheben, mit der festgestellt wird, dass der Abmahner zu Unrecht abgemahnt hat

Möglichkeit 4: Gegenabmahnung
Der Abgemahnte reagiert auf die Abmahnung seinerseits mit einer Abmahnung. Achtung: Eine Gegenabmahnung kann rechtsmissbräuchlich sein, wenn diese vorab angekündigt wird, um den Abmahner zur Rücknahme seiner ausgesprochenen Abmahnung zu bewegen.

Außerdem:
– Die Höhe der Kosten für eine Abmahnung richtet sich nach dem sog. Gegenstandswert, der noch verhandelt werden kann
– Es kann eine Fristverlängerung für die Abgabe der Unterlassungserklärung, Zahlung der Kosten bzw. Behebung der gerügten Fehler beantragt werden

Die vielen Möglichkeiten zeigen, wie schwer es Laien im Abmahnfall haben. Ohne eigene Experten (z.B. eigener Rechtsanwalt/Rechtsabteilung) kann man die Berechtigung einer Abmahnung hinsichtlich vorgeworfenen Verstoß oder Höhe der Kosten ebenfalls kaum selbst nachvollziehen oder überprüfen.

Sprechen Sie mit Ihrem Rechtsbeistand alle Chancen und Risiken der Methoden durch und finden für den konkreten Fall eine individuelle Lösung. Dann wird auch die Gefahr minimiert, dass sich Händler zu einem Unterlassen verpflichten, das eigentlich rechtmäßig ist, oder Kosten zahlen, die deutlich zu hoch sind.

Der Händlerbund hilft!

Der Händlerbund bietet neben seiner langjährigen Erfahrung in der Rechtstext-Erstellung außerdem eine umfassende Rechtsberatung an, die Händler vor Abmahnungen schützen soll. Im Falle aller (Abmahn)Fälle beschützt der Händlerbund seine Mitglieder mit seiner Abmahnvertretung vor weiteren Kosten und stellt ihnen kostenfrei eigene Rechtsanwälte zur Seite. Gegründet, um den Kampf gegen die Abmahnindustrie aufzunehmen, ist der Händlerbund mittlerweile jedoch mehr als ein Rechtsdienstleister.

Der Händlerbund versteht sich außerdem als Service-Netzwerk für alle Fragen rund um den digitalen und stationären Handel. Mit seinen Mitgliedern und Partnern treibt er die Professionalisierung von mehreren zehntausend Online-Händlern in ganz Europa voran. Mit seiner langjährigen Erfahrung im E-Commerce setzt sich der Händlerbund auch auf politischer Ebene für die Interessen der gesamten Branche ein.

Über die Autorin Yvonne Bachmann

Yvonne Bachmann ist seit 2013 als Rechtsanwältin für den Händlerbund tätig. Dort berät sie Online-Händler in Rechtsfragen und berichtet auf dem Infoportal OnlinehändlerNews
regelmäßig zu Rechtsthemen, welche die E-Commerce- Branche bewegen. Außerdem ist sie eine bundesweit gefragte Referentin, Interviewpartnerin und Gastautorin.