Amazon USA – wie man erfolgreich in Amerika verkaufen kann
Die Internationalisierung im E-Commerce wurde durch Amazon stark vereinfacht, da Produkte nun mit wenigen Klicks schnell in ganz Europa angeboten werden können. Doch wie sieht es mit einem Verkauf in den USA aus? Welche Regeln muss ich dort beachten? Und kann man in Amerika überhaupt kostengünstig verkaufen? Till Andernach ist Experte im Bereich Amazon USA und erklärt in seinem Vortrag schrittweise ein Modell, welches den internationalen Verkauf ermöglicht. Früher arbeitete er einige Jahre bei FreightHub, bevor er sich selbstständig machte, um europäischen Unternehmen zu helfen, in der USA auf dem Marktplatz amazon.com zu verkaufen.
Gründe, um bei Amazon.com in den USA zu verkaufen
Generell gibt es zahlreiche Gründe, warum man in den USA verkaufen sollte. Zum einen ist es ein unglaublich großes Land mit vielen Menschen, die alle einkaufen und konsumieren wollen. Zum anderen sprechen alle Englisch und Amazon hat in den USA einen riesigen Marktanteil. Außerdem ist es vorteilhaft Dollar einzunehmen, da man diese beispielsweise in Asien hervorragend wieder ausgeben kann. In Amerika gibt es viele Programme, die in Europa nicht existieren und verschiedene Amazon Accounts können schnell und einfach miteinander verlinkt werden.
Die zwei Hauptgründe für einen Verkauf bei Amazon in den USA sind aber Wachstum und Diversifizierung. Man kann seinen bisherigen europäischen oder deutschen Markt mit den dort gesammelten Erfahrungen sinnvoll auf dem neuen amerikanischen Marktplatz nutzen, ohne viele Risiken eingehen zu müssen und sich auf komplettes Neuland zu begeben.
Wie funktioniert der Einstieg in die USA als Amazon Verkäufer?
Für einen Einstieg in den Amazon-Verkauf in den USA sollte man sich vor allem mit folgenden 5 Punkten auseinandersetzen:
- Der Markt amazon.com im Allgemeinen
- Gesellschaft und Bankkonto
- Steuern und Sales Tax (Umsatzsteuer)
- Produkthaftung und Compliance
- Import und Logistik
Im Folgenden werden die einzelnen Punkte detailliert erklärt und wichtige Tipps und Hinweise gegeben.
Produkthaftung und Compliance
Wichtig zu beachten ist, dass das Produkthaftungsrisiko ist in den USA erheblich größer ist als in Europa. Das ist auch der Grund, warum beispielsweise amerikanische Versicherungen deutlich teurer sind als europäische. Bei der Produkthaftung gibt es vier wesentliche Aspekte, die berücksichtigt werden müssen und entsprechende Gegenmaßnahmen, um die Risikofaktoren einzudämmen.
Faulty products
Ein relevanter Punkt in Bezug auf die Produkthaftung sind fehlerhafte Produkte. Das heißt, ein Produkt macht nicht, was es tun soll. Bei einem Kaffeebecher würde zum Beispiel der Henkel abbrechen und der Nutzer verbrennt sich am Kaffee, der über seinen Schoß läuft. Hierbei ist es wichtig, derartige Produktfehler zu vermeiden, indem man regelmäßige Produktkontrollen durchführt.
Failure to warn
Der nächste Aspekt bedeutet wörtlich übersetzt das „Versagen zu warnen“. Der Verbraucher tut nicht das, was er hätte tun sollen und das Produkt wird falsch benutzt. Deshalb sollte man immer sogenannte Begleitdokumente zum Produkt hinzufügen, die entsprechende Hinweise enthalten, wie das Produkt zu nutzen ist und, was man damit nicht machen sollte.
American rule
In Amerika gelten andere Rechtslagen als in Deutschland. Hierzulande trägt bei einem Rechtsstreit der Verlierer die gesamten Kosten des Prozesses. In den USA hingegen trägt jeder seine Kosten selbst, denn auch bei einem positiven Ausgang hat man die Kosten selbst zu tragen. Daher sind die Prozesskosten in Amerika also insgesamt immer deutlich höher. Um den hohen Kosten entgegenzuwirken, wird empfohlen eine Produkthaftpflicht-Versicherung abzuschließen.
Supply Chain Risiko
In Europa haftet immer derjenige, der ein Produkt auch in den Verkehr bringt. In den USA ist allerdings jeder dafür haftbar, der in der Supply Chain, also der Wertschöpfungskette, auftritt. Hierfür lohnt es sich, eine gesonderte Gesellschaft zu gründen, mit der das gesamte amerikanische Geschäft abgewickelt wird.
Exkurs: Modell für ein- und ausgehende Zahlungen in den USA mit deutscher Gesellschaft
Eingehende Zahlungen
Eine Gesellschaft an sich ist allerdings ohne das entsprechende Bankkonto zunächst nichts wert, da noch Zahlungen damit abgewickelt werden müssen. Es scheint naheliegend, sich ein amerikanisches Bankkonto anzulegen, allerdings bekommt man mit einer deutschen Gesellschaft kein US-Bankkonto. Ausschließlich für eingehende Zahlungen gibt es Unternehmen, die virtuelle US-Dollar Konten anbieten. Noch einfacher wäre allerdings, den Amazon Currency Converter zu verwenden. Hierbei muss man einfach bei der Accounterstellung des amerikanischen Accounts seine deutsche Bankverbindung eingeben. Dann überweist Amazon mir die US-Dollar Erlöse in Euro auf das deutsche Konto. Dies kostet allerdings 4 %.
Ausgehende Zahlungen
Ausgehende Zahlungen sind primär Sales Tax Zahlungen. Hier funktionieren weder US-Konten noch virtuelle US-Dollar Konten, da man Lastschrift ähnliche Transaktionen nicht von den Konten ziehen kann. Hier lohnt es sich auf einen Treuhänder zurückzugreifen, da man sowieso einen Steuerberater benötigt, der einem die Sales Tax Anmeldung (Umsatzsteuervoranmeldung) aufbereitet und abgibt. Der kann von seinem Konto die Zahlungen ziehen lassen und man erstattet es ihm anschließend zurück.
Steuern und Sales Tax
Bei dem Thema geht es um die zwei Steuerarten: Ertragssteuer und Umsatzsteuer. Wenn man in den USA keinen physischen Raum oder Flächen besitzt, über die man Verfügungsgewalt hat, dann bleibt die Ertragssteuerpflicht immer in Europa. Es wird mit einem Doppelsteuerungsabkommen zwischen Deutschland und den USA geregelt. Neben der Ertragssteuer muss man sich in den USA zusätzlich noch mit der Umsatzsteuer, also den Sales Tax, auseinandersetzen.
Wichtig für Amazon Seller: Fakten zu Sales Tax in den USA
Auf dem Marktplatz Amazon in den USA wird bei der Produktsuche neben den Produkten zunächst immer nur der Nettopreis angezeigt. Der Bruttopreis errechnet sich erst, wenn das Produkt dem Einkaufswagen hinzugefügt wird. Die jeweilige Höhe der Sales Tax errechnet sich nach den Sales Tax Rates, die in den verschiedenen Staaten zwischen 0 % und 8,5 % variieren. Des Weiteren ist zu beachten, dass es in den USA sogenannte Tax Holiday gibt. Tax Holidays sind die Tage im Jahr, an denen gar keine Sales Tax berechnet werden. Man merkt, die Errechnung der Sales Taxi ist in Amerika nicht ganz einfach, daher berechnet Amazon sie für uns.
Ein weiterer wichtiger Begriff im Kontext Umsatzsteuer in den USA ist „Nexus“. Dabei handelt es sich um eine umsatzsteuerliche Betriebsstätte, die man überall dort hat, wo die eigene Ware gelagert wird. Somit habe ich nur dort eine Sales Tax Pflicht. Aktuell gibt es in den USA 30 von 50 Bundesstaaten mit einem Amazon Lager. Vorletztes Jahr gab es in den Amazon USA eine Änderung und es wurde beschlossen, dass man auch ausschließlich durch eine große ökonomische Präsenz einen Nexus auslösen kann. Also auch in den Bundesstaaten, in denen man viele Sales generiert hat, werden somit Sales Tax pflichtig.
Von daher ist es enorm wichtig, kontinuierlich zu dokumentieren, wo meine Ware liegt und wie viele Umsätze ich entsprechend gemacht habe. Um diesen Prozess zu vereinfachen gibt es ein Tool namens „TaxJar“, welches nur 20 Dollar pro Monat kostet und einem viele relevante Informationen liefert. Wo habe ich überall ein Nexus, wie viele Sales habe ich in dem Bundesstaat jeweils gemacht und wie viele Sales Tax Schulden habe ich?
Erst ab einer gewissen Höhe der Schulden lohnt es sich die erste Registrierung in dem Bundesstaat zu machen. Eine Registrierung funktioniert folgendermaßen: Ich muss die Sales Tax, die ich nicht eingenommen habe, aber abführen muss, zahlen. Ich muss sie also vorher von meiner Marge abziehen und zur Seite legen. Im zweiten Schritt bekommt man dann eine Sales Tax ID, die in der Seller Central eingetragen werden muss. Ab dem Zeitpunkt der Eintragung wird die Sales Tax immer automatisch auf die Produkte aufgeschlagen.
Kurz und knapp: Amazon USA Strategie für Sales Tax:
- Anfangen zu verkaufen
- TaxJar installieren
- Threshold (Schwelle) für jeden einzelnen Staat setzen
- Nexus tracken: In welchen Staaten bin ich registrierungspflichtig?
- Sales tracken mit TaxJar
- Threshold erreichen
- Sales Tax Licenses beantragen
- Sales Tax nachzahlen
- Sales Tax erheben, zahlen und melden
Import und Logistik
Es gibt viele Gerüchte, dass man in den USA eine amerikanische Gesellschaft, IOR (Importer of Record), benötigt, die als offizieller Importeur auftritt. Man kann aber tatsächlich auch als deutsche Gesellschaft als Importeur auftreten und Ware importieren. Des Weiteren gibt es noch den Incoterm DDP (Delivery Duty Paid). Incoterms bezeichnen die Gesamtheit der Bedingungen für Lieferung, Beförderung, Abnahme usw. von Waren im internationalen Handel. Sendungen, die zu Amazon in die USA gehen, müssen per Incoterm DDP abgewickelt werden. Das heißt, man hat einen Verkäufer und einen Käufer, wobei der Incoterm DDP regelt, dass der Verkäufer für alle Schritte wie Versicherungen, Kosten, Transport usw. verantwortlich ist, bis die Ware tatsächlich beim Käufer angekommen ist. Man kann den Incoterm zwischen einem selbst und dem Supplier frei wählen, allerdings übernimmt Amazon keine Verantwortung für den Warenimport.
Welche Zollverfahren gibt es in Amerika?
Es wird zwischen den drei Zollverfahren De minimis, Informal Entry und Formal Entry unterschieden. De minimis heißt so viel wie Freigrenze, die in den USA mit 800 USD relativ hoch ist. Der Informal Entry bezeichnet den Import von Waren zwischen 800 USD und 2500 USD. Ein Formal Entry ist dann der Import von Waren mit einem Wert höher als 2500 USD. Für den Formal Entry benötigt man noch einen Customs Bond, der 250 Dollar im Jahr kostet und als eine Art Versicherung fungiert.
Transport der Ware nach Amerika
Beim Transport gibt es die Optionen Luftfracht und Seefracht. Generell funktionieren die Anlieferungen in den USA im Hinblick auf operative und technische Fragen genau wie in Deutschland. Das einzige, worauf man achten muss, sind z.B. abweichende Standardmaße für Pakete oder Paletten. Eine Anlieferung in den USA ist auf drei Arten möglich:
- SPD = Small Parcel Delivery, Paketlieferungen
- LTL = Anlieferung auf Paletten
- FCL = Full Container Loads, Vollcontainer-Ladung
Es gibt zahlreiche Dienstleister, die einem bei der Logistik helfen. Transglobal Express bringt Sendungen aus Deutschland per Luftfracht zügig in die USA. Freighthub bietet sogar See- und Luftfracht an. Des Weiteren gibt es noch FedEx, UPS, DHL sowie Shapiro. Und der Dienstleister Flexport eignet sich besonders für Sendungen aus Asien über den Pazifik nach Amerika.
Alle Produkte, die nach Amerika importiert werden, werden vom amerikanischen Zoll, der Customs and Border Protection, geregelt.
Fazit: Jeder kann in den USA verkaufen.
Abschließend lässt sich festhalten, dass ein Verkauf bei Amazon in den USA definitiv kein Hexenwerk ist und einem nichts im Weg steht, wenn man sich mit dem Marktplatz amazon.com intensiv beschäftigt sowie die Themen Gesellschaft, Bankkonto, Steuern, Produkthaftung sowie Import und Logistik beachtet. Mithilfe von zahlreichen Tools wird einem der Verkauf in den USA schnell und einfach ermöglicht und jeder sollte die Chance nutzen, sein Potenzial auf Amazon komplett auszuschöpfen und seine Marktmacht zu vergrößern. Also begib auch du dich ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten!
Guter Artikel. Ertragssteuer in Europa war die Info, die ich noch brauchte, danke!
Hallo!
Würdest Du auch jemandem, der gerade erst anfängt bei Amazon zu verkaufen, den Einstieg bei Amazon.com empfehlen? Oder sollte derjenige erstmal in Deutschland bzw EU anfangen?
Lg
Ali
Moin Ali, ohne Vorerfahrung vom US-Markt, bzw. irgendwelchen bereits vorhandenen Geschäftsstrukturen sollte man das in jedem Fall nicht selbst versuchen. „Grase“ erst einmal den naheliegensten Markt ab – in deinem Fall sehr wahrscheinlich DE. Du darfst dabei nicht vergessen, dass auch deine eigene Zeit begrenzt ist und wenn du diese auf zu viele Baustellen gleichzeitig verteilst, geht das in der Regel schief. D.h.: Erst DE ordentlich aufbauen (inkl. allen Bordmitteln, die Amazon bietet) und wenn du SEO, Bilder, A+ Content und Brandstore sowie eine vernünftig laufende PPC-Kampagnen-Struktur stehen hast, kannst du dich auf die nächsten Märkte konzentrieren.
Denke bitte auch daran: Mit der SellerCentral kannst du mit nur wenigen Klicks deine Produkte recht einfach in ganze Europa verfügbar machen. Natürlich musst du auch hier auf Themen wie Verpackungsgesetze, Steuern und OSS (One Stop Shop) achten. Die eigenen Verkaufsaktivitäten innerhalb der EU auszuweiten ist aber dennoch sehr viel schneller umgesetzt als „über den großen Teich zu gehen“.